Nach den Reisevorträgen von Mario Dirks zur Sigma ‚Our World Tour‘ war das allgemeine Interesse an Reiseberichten zu fernen Zielen auch im ExifCafé deutlich erkennbar. Als Silvia noch am gleichen Abend im ExifCafé-Forum mitteilte: “Falls mal Lust und Interesse besteht, kann ich ja mal meine Fotos von Mumbai oder Havanna zeigen – zum Fernweh wecken, reicht es bestimmt!”, war das Echo natürlich pure Zustimmung!
Was für eine Frage?! Zu diesem Eintrag konnte es nur Zustimmung geben! Ab diesem Zeitpunkt gab es viel Stress für Silvia, weil sie ihren Vortrag bereits am 15. Februar 2021 für den Online Phototalk im ExifCafé fertigstellen wollte. Bei der ersten Sichtung mussten mehr als 3.000 Bilder geprüft werden, von denen gut 500 in die engere Wahl kamen. Nach einer weiteren Auswahl verblieben etwa 280 Bilder für den geplanten Vortrag. Zur musikalischen Untermalung wurden die passenden indischen Instrumentalklänge ausgesucht und zusätzlich noch einige kleine Videosequenzen zur Verstärkung der Eindrücke beigefügt. Die Zusammenführung von Bild und Ton erfolgte in einer PowerPoint-Präsentation.
Anlass, um über eine außergewöhnliche Reise nachzudenken, war im Haus Klashinrichs ein familiärer Jahrestag. Wahrscheinlich hätte sich die meisten Frauen für eine entspannte Woche auf Mallorca, Ibiza oder Gran Canaria entschieden – aber nicht Silvia! “Das ist nicht meine Art, zu reisen. Ich möchte bei meinen Reisen Land und Leute kennenlernen und auch das sehen, was im Fernsehen und in Hochglanz-Magazinen nicht gezeigt wird.“
Silvia – neugierig, mutig und immer positiv eingestellt, wenn der Entdeckergeist den Blick um die nächste Ecke oder über den nächsten Hügel fordert. “Wenn manchmal die Neugier stärker als der Mut war, muss man jedoch auch den Punkt kennen, an dem der Rückzug angesagt ist.” Aber bisher habe sie mit allen Komponenten, wie fremder Hilfsbereitschaft, Risiko, Mut, Zurückhaltung und Freundlichkeit, aber auch mit festem Selbstbewusstsein ihre Neugier auf Land, Leute und lockende Ansichten für besondere Erlebnisse und tolle Fotos regeln können. Auf der Reise nach Mumbai wurde Silvia von ihrem Ehemann begleitet, aber sie war auch schon mutig genug, frühere Reisen nach Kuba oder Ägypten allein durchzuführen.
Vor einer Asien-Reise stehen im Vorfeld erst einmal zu erledigende Impfungen und Formalitäten, wie zum Beispiel die zu beantragenden Visa für Indien. Nachdem mithilfe des Reisebüros die letzten Formalitäten erledigt waren, begann die Indien-Reise in Düsseldorf mit dem Flug nach Paris. Vom dortigen Flughafen Charles-de-Gaulles sollte der 9 Stunden-Direktflug zum Flughafen Chhatrapati Shivaji/Mumbai folgen. Beim Einchecken stellte sich jedoch heraus, dass die Einreiseunterlagen für Indien nicht vollständig vorlagen. Fieberhafte Bemühungen brachten die fehlenden Unterlagen unter Wahnsinns-Zeitdruck zwar bei, leider war das gebuchte Flugzeug jedoch schon abgeflogen. Das hatte letztlich eine unbequeme Übernachtung auf dem Flughafen in Paris zur Folge, ehe die Reise 24 Stunden später fortgesetzt werden konnte. Damit war ein ganzer Reisetag verloren, zuzüglich Kosten für den Ersatzflug am nächsten Tag. (Ich hätte wahrscheinlich da schon den Heimweg angetreten!)
Die Strecke vom Flughafen in Mumbai bis zum Hotel wurde mit dem Taxi in gut einer Stunde zurückgelegt, ehe gegen Mitternacht im Hotelzimmer das Licht ausgemacht wurde. Für den einwöchigen Aufenthalt in Mumbai hatten die beiden Reisenden das 4-Sterne-Hotel Fariyas gewählt, das aufgrund seiner perfekten Lage als ’die beste Auswahl in Mumbai’ bezeichnet wird. Nur wenige hundert Meter entfernt befindet sich der Triumphbogen ’Gateway of India’, 50 Meter breit und 26 Meter hoch, das berühmteste Wahrzeichen von Mumbai. Natürlich hatte Silvia bereits vor der Reise im Internet nach sehenswerten Zielen in Mumbai gesucht. Eines davon war ein besonderes Treppenhaus im High Court, dem höchsten Gericht in Indien. Nach der Eingangskontrolle und Abgabe von Taschen und Kameras wurde das Treppenhaus nicht gefunden, aber nach einem Foto mit dem Handy wurden die beiden Besucher von einem Bediensteten aufgefordert, ihm zu folgen. Warum, wusste keiner, aber Silvia und ihr Mann zogen es vor, durch Nutzung eines Seitengangs dem Folgen des geheimnisvollen Bediensteten ein Ende zu bereiten und danach das High Court schnellstens zu verlassen. Vielleicht wollte der Mitarbeiter ihnen aber auch nur den Weg zum sehenswerten Treppenhaus zeigen – wer weiß?!
Zwischendurch bemerkt: Während des gesamten Aufenthalts in Mumbai wurde alle Ziele vom Hotel aus zu Fuß angesteuert. Dadurch war der Aktionsradius zwar begrenzt, aber die Einsichten in die erreichbare Umgebung sehr intensiv. Dabei wurden auch Ortsteile durchlaufen, in denen sich sonst keine Touristen aufhalten. Die Überraschung war oft auf beiden Seiten erkennbar – bei Silvia und ihrem Mann, wenn sie sich fragten “Wo sind wir denn hier gelandet?” und auch in den Gesichtern der dort lebenden und arbeitenden Menschen zu sehen, die sich über die Anwesenheit der Touristen wunderten. So wurden sie denn auch öfters gefragt, ob sie sich verlaufen hätten und erhielten Hilfsangebote, wieder zurück zu finden.
Die Zeit in Mumbai haben Silvia und ihr Mann sehr intensiv für die Tagesausflüge von früh morgens bis spät abends genutzt. Wir haben Bilder gesehen vom Museum für Indische Kunst, vom Bahnhof Chhatrapati Shivaji Terminus, dem Victoria Terminal, über den jeden Tag mit ca. 1.000 Zügen etwa 3 Millionen Menschen befördert werden, für die Ein- und Aussteigen schon während der An- und Abfahrt üblich ist. Schuhputzer, die für ein paar Rupien noch schnell das Erscheinungsbild derjenigen aufbessern, die sich diese Pflege leisten können und Bilder von unglaublich vielen Menschen in den Bahnhofshallen. Ein Kommen und Gehen, das an ein Ameisennest erinnert. Wer noch lange auf seinen Zug warten muss, der liegt auf dem Boden und schläft – ein Anblick, der bei uns gar nicht vorstellbar wäre! Die Züge, aber auch die meisten Fahrzeuge auf den Straßen sind weitestgehend alle bunt bemalt. Hier mischen sich Motorräder, alte Autos und modernere Fahrzeugtypen mit total überladenen Holzkarren auf den Straßen. Fußgänger, die die Straße überqueren wollen, stören hier nur. Verkehrsregeln sind für Außenstehende nicht erkennbar, es ist laut und wird zu keiner Zeit niemals wirklich leiser.
Handel und Handwerk finden in Mumbai auf der Straße statt. Hier wird alles angeboten und auch bearbeitet. Das Foto vom indischen Transporteur, der sein 3-Rad-Fahrrad mit mindestens 15 großen Propangasflaschen überladen hat, erschreckt etwas, die Straßenbauarbeiter, die alles mit nur wenigen, einfachen Werkzeugen und ansonsten mit ihren bloßen Händen bearbeiten, Gerüstbauer, die auf den aus Bambusstangen zusammengebundenen Gerüsten eher wie Artisten aussehen, die Tagelöhner-Warteschlangen, Schneider bei ihren Näharbeiten, Friseure beim Rasieren, Müll sammelnde Frauen und Händler, die in ihren garagenähnlichen Verkaufsbereichen ihre Waren anbieten. Alles findet draußen statt – uns erscheint das alles als chaotisch, laut – und bunt. In Mumbai gehört es zum normalen Alltagsleben.
Auf Silvias Liste der Sehenswürdigkeiten standen auch die Dabbawalas. Ein Dabbawala bringt in Mumbai das Mittagessen vom Zuhause der Büroangestellten in Metallbehältern zu den arbeitenden Angestellten – per Fahrrad-Transport. Für europäische Augen ein seltsamer Anblick, wenn ein mit vielen (bunten) Essenbehältern, ausladend behängtes Fahrrad im Straßenverkehr unterwegs ist. So werden jeden Tag durch ca. 5.000 Dabbawalas in Mumbai um die 2.000 Essen ausgeliefert und die geleerten Metallbehälter wieder zurückgebracht. Eine logistische Meisterleistung auf einfachster Basis mit jährlichen Steigerungsraten bis zu 10%.
Natürlich hat Silvia auch das ‚Leopold Café‘ in Mumbai besucht. Seit der Eröffnung im Jahr 1871 soll es angeblich bisher nur für wenige Tage geschlossen gewesen sein, nachdem es am 26. November 2008 Ziel eines Terroranschlags war, bei dem 6 Gäste und 2 Mitarbeiter getötet wurden. Weil die Betreiber des Cafés nicht alle Schäden des Angriffs repariert haben, sind auch heute noch die Einschusslöcher in den Wänden zu sehen. Für die Mumbaikars ist das ‚Leopold Café‘ seitdem zu einer Ikone des Trotzes gegen den Terror geworden.
Silvias Foto von der Aussenansicht eines anderen „besseren“ Restaurants zeigt auch mehrere, durch ein Seitenfenster in den Gastraum sehende, indische Männer. Sie sehen sich die Menschen an, die sich den Besuch des Restaurants finanziell erlauben können. Ein Bild, das nachdenklich macht!
Stoffbeutel und Plastiktüten an einen Baum gehängt, sind ein Symbol für die umfassende Armut vieler Menschen in Mumbai. In diesen Beuteln und Taschen befinden sich die wenigen Habseligkeiten, die manche Menschen überhaupt noch besitzen. Darunter befinden sich auch viele Kinder, die ihre Spielzeuge/Stofftiere ebenfalls in den Bäumen oder Sträuchern abgelegt haben. Traurig, aber wahr! Schwierig für Touristen ist immer, wenn bettelnde Kinder ihnen ihre offene Hand entgegen halten. Wie auch in europäischen Ländern wird Betteln in Mumbai von organisierten Banden gewerbsmäßig betrieben. Den bettelnden Kindern bleibt vom erbettelten Geld meistens nichts. Insgesamt erschreckend ist das sich bietende Bild, wenn man früh morgens hunderte auf der Straße liegende Menschen jeden Alters sieht, die die Nacht dort schlafend verbracht haben.
Wie nah Reichtum und Armut beieinander liegen, zeigen auch Bilder eines Fischerdorfs in Mumbai am Ufer des Indischen Ozeans. Wellblech, Planen, Planken und Latten sind das Hauptmaterial der Behausungen in denen viele Menschen leben. Auf dem Wasser sind neben einzelnen alten, primitiven Fischerbooten die strahlend, weißen Yachten der Touristen zu sehen. Eigentlich kann man – und will auch nicht – glauben, was man sieht!
Religionen zeigt Mumbai an vielen Orten. Sehr oft befinden sich kleine Tempel am Weg, die mit Lichtern, bunten Holzfiguren, Symbolen und Ringelblumen-Girlanden geschmückt sind. Als Silvia einen dieser Tempel fotografierte, hat ihr ein Priester ein kleines, rotes Armband geschenkt, das ihr Glück bringen soll. Ein Andenken von besonderem Wert! Natürlich waren auch heilige Kühe im Vortrag zu sehen, die jedoch meistens ziemlich verschmutzt sind und damit nicht das eigentlich erwartete Bild abgeben.
Dass Mumbai auch eine respektable Skyline hat, an der weiterhin intensiv gebaut wird, sieht man auf einem Foto von der Strandpromenade. Die Skyline ist auf Silvias Bildern nur aus größerer Entfernung zu sehen. Sicherlich hat es gereizt, auch den modernen Stadtteil dieser Weltstadt zu besuchen, aber der stand bei dieser Reise nicht auf dem Plan, was zu einem großen Teil dem begrenzten Aufenthaltszeitraum geschuldet ist. Das ist jedoch ein Grund zum Wiederkommen!
Einen etwas kuriosen Grund hatte die Startverzögerung des Flugzeugs der indischen Fluglinie beim Rückflug. Ein Gepäckfach im Passagierraum ließ sich nicht schließen. Erst nachdem Klebeband die Gepäckklappe dauerhaft geschlossen hielt, wurde die Starterlaubnis erteilt. Das war jedoch nicht die letzte Aufregung bei der Rückreise. Bei der Zwischenlandung in Paris haben Silvia und ihr Mann versehentlich den Transitbereich verlassen, aber nach Klärung und Rückführung konnte der Weiterflug nach Düsseldorf planmäßig fortgesetzt werden.
Nur eine Woche für eine Reise in eine andere Welt. Mit Aufregungen, Erfahrungen, Eindrücken und vielen unvergesslichen Emotionen. Fotos, wie sie ehrlicher nicht sein können. Gesichter, die von Alltagssorgen gekennzeichnet sind, Lebensumstände und Situationen, die man sich für einen Großteil der Bevölkerung in einer Weltgroßstadt gar nicht vorstellen kann und vielen Menschen jegliche Perspektiven für ein besseres Leben nehmen. Und bei alledem sind die Menschen in Mumbai sehr freundlich, unaufdringlich und hilfsbereit. Die Kinder zeigen sich fröhlich und zufrieden in ihrem bescheidenen Leben. Es bleibt ihnen zu wünschen, dass sie von der Politik und jenen, denen es besser geht, nicht vergessen werden.
Du, Silvia, hast Mumbais Seite ohne Glanz und Glamour gesucht und gefunden. Wie du im Vortrag gesagt hast, war jeden Tag der Weg schon das Ziel. Auch wenn manche Ansichten nur schwer zu verarbeiten sind, sind die Emotionen auf keiner anderen Seite dieser Stadt ehrlicher. Anerkennung zu deiner Einstellung ’auf deine Art zu reisen’ und für deinen Mut, deiner Neugier zu folgen. Danke für deine Arbeit und Mühe zum Vortrag und danke, dass du uns alle im ExifCafé mitgenommen hast.
„Nein, in Mumbai gibt es keine Rosenverkäufer in den Restaurants oder anderswo“, erst als Silvia diese Antwort gegeben und auch alle anderen Fragen zu ihrem Mumbai-Vortrag beantwortet hatte, gelang der Wechsel zu anderen Themen rund um die Fotografie: Aufgrund der aktuellen Witterungslage mit viel Schnee wurden beispielsweise die unterschiedlichen Möglichkeiten des Weißabgleichs in der Kamera besprochen und natürlich auch die Optionen bei der nachträglichen Bildbearbeitung erörtert. Die Aufgabenstellung von Uwe: „Stellt das Doppelwort ’NordPol’ bildlich dar, ist eine echte Herausforderung! Dazu dürfen keine zwei Einzelaufnahmen in der Bearbeitung zusammengefügt werden und auch mit dem Abfotografieren eines Kartenausschnitts der Nordpol-Region ist die Aufgabe nicht erfüllt. Wie immer, kann sich jeder an der Aufgabe beteiligen, muss es jedoch nicht. Einige der ExifCafe-User haben ihr Foto schon gemacht, andere suchen noch nach der passenden Motividee. Ich konnte meine Idee dazu nicht ganz wie geplant auf die Speicherkarte bannen, habe aber bei der fotografischen Umsetzung eine gute Alternative gefunden, wobei mir die aktuelle Schneelandschaft geholfen hat. Seitdem denke ich über eine weitere Möglichkeit zur bildlichen ’NordPol’-Darstellung nach, aber meine Kreativität scheint damit überfordert zu sein. Die Ergebnisse zur Aufgabenstellung werden wir uns gemeinsam im ExifCafé beim nächsten Phototalk am Montag, den 1. März 2021 ansehen. Man darf gespannt sein.
Viele fotografische Fragen, erklärende Antworten, Informationen zu Online-Präsentationen, Ausstellungen und Planungen zukünftiger Photowalks – wenn es denn hoffentlich bald wieder möglich wird – Small Talk und Spaß haben den Zeitrahmen unseres Online-Phototalks mal wieder kräftig strapaziert. Scheint so, als wenn wir im ExifCafé diese Dosis alle 14 Tage brauchen…