Nachdem wir am Samstag, den 3. Juli 2021, erstmals nach Lockerungen der Corona-Regeln wieder einen gemeinsamen Photowalk zum Preußenhafen nach Lünen durchgeführt haben, stand für Sonntag, den 25. Juli 2021, die Fotoausstellung ’Polarnight’ mit Fotografien aus der Arktis von Esther Horvath in Oldenburg auf unserem Plan. Die Ausstellung ist eine Veranstaltung der Mediavanti GmbH in Kooperation mit Photo Op und dem Landesmuseum Mensch und Natur Oldenburg. in dem sie auch ausschließlich zu sehen und nur noch bis zum 1. August 2021 zugänglich ist.
Die Fotografin Esther Horvath, geboren im ungarischen Sopron, zog 2012 nach New York, um dort Dokumentar- und Fotojournalismus zu studieren. Im Sommer 2015 begleitete sie ein wissenschaftliches Projekt der US-Küstenwache, bei dem sie in der Arktis fotografierte. Bereits bei dieser Expedition fühlte sie sich mit dieser sich stets verändernden Umgebung stark verbunden. Um das Bewusstsein der Menschen für die Arktis zu schärfen, beschloss sie die Konzentration ihrer zukünftigen Dokumentarfotografie auf die Arktis und Zusammenarbeit mit Wissenschaftler/innen. Nach ihrem Umzug nach Deutschland begann Esther Horvath eine langjährige Zusammenarbeit mit dem Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung in Bremerhaven. 2019 und 2020 dokumentierte sie die MOSAIC-Expedition, aus der die Fotografien zur Ausstellung ’Polarnight’ stammen.
Als offizielle Expeditionsfotografin war Esther Horvath während der ersten dreieinhalb Monate an Bord des deutschen Forschungseisbrechers ’Polarstern’, der am 20. September 2019 vom norwegischen Tromsö aus in See stach, um ein ganzes Jahr lang gefangen im Eis durch den Arktischen Ozean zu treiben, bevor Ende September 2020 die Forschungsreise zu Ende ging.
„Wir alle wissen, dass das arktische Eis schmilzt, aber wer sind die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die uns diese Informationen liefern? Wie arbeiten und leben sie an einem der entlegensten Orte der Welt? Ich möchte ihnen und ihrer Arbeit ein Gesicht geben. Das ist es, was mich antreibt.“ – Worte von Esther Horvath
Bei der MOSAIC-Expedition ließ sich die ’Polarstern’ an einer riesigen Scholle im Eis einfrieren und driftete mit dem Eis über die Polkappe. Ein ganzes Jahr lang. Vollständig den Kräften der Natur unterworfen. Wind und Strömung allein bestimmten den Kurs und die Geschwindigkeit. Eine internationale Flotte von Eisbrechern, Helikoptern und Flugzeugen versorgte die wechselnden Forscherteams auf der extremen Route. Eine internationale Gemeinschaftsaktion, die auch nur mit vereinten Kräften möglich war.
Ziel der Expedition war die intensive Betrachtung der Arktis als Epizentrum der globalen Erwärmung. Die Wissenschaftler wollten grundlegende Erkenntnisse zu den Forschungsthemen Atmosphäre, Meereis, Ozean, Ökosystem und Biogeochemie für ein besseres Verständnis zum globalen Klimawandel gewinnen, um daraus Möglichkeiten für realisierbare Gegenmaßnahmen abzuleiten. Kein Schiff war jemals im Winter so weit nach Norden in die Zentralarktis vorgedrungen, wie die Polarstern. Neben vielen Helfern, Technikern und weiteren Besatzungsmitgliedern waren ca. sechzig Wissenschaftler/innen aus über zwanzig verschiedenen Ländern beteiligt. 150 Millionen Euro standen für diese Expedition als Gesamtbudget zur Verfügung.
Schon allein das Foto, das für die Werbung der Ausstellung genutzt wird, macht neugierig auf weitere Ansichten und Eindrücke der Arktisexpedition: Die sich selbst beleuchtende ’Polarstern’, 118 Meter lang, durch 4 Dieselmotoren mit über 19.000 PS ausgestattet, im eiserstarrten Wellenmeer, in tiefschwarzer Nacht. Zwei große Scheinwerfer auf dem Forschungsschiff bilden feuchte Lichtkegel in unterschiedliche Richtungen, die zumindest das nähere Umfeld des eingefrorenen Eisbrechers erkennen lassen. Ein außergewöhnlicher, unglaublich schöner, aber auch gleichzeitig bizarr wirkender Anblick in dieser doch so lebensfeindlichen Welt mit intensivster Dunkelheit und Temperaturen bis deutlich unter minus 40 Grad Celsius.
Viele Gründe und Anlass genug, dass sich die User des ExifCafés am frühen Sonntag auf den Weg nach Oldenburg machten. Ein weiterer Grund war auch der noch immer bestehende Kontakt zu Svens ehemaliger Fotogruppe im Norden Deutschlands. Sven hatte einige der Mitglieder seiner ehemaligen Fotogruppe über SocialMedia angeschrieben und ein Treffen am Ausstellungsort angeregt. Wir haben uns sehr gefreut, dass Bärbel, Katharina, Theresa, Dan und Jupp die Zeit für das Wiedersehen hatten. Wie Uwe, unser bisher nördlichstes Mitglied, sind die Nordlichter alle fotografisch interessiert. Das gegenseitige Kennenlernen hat uns allen von Beginn an viel Spaß gemacht und natürlich gab es viel zu erzählen.
Die Fotoausstellung ’Polarnight’ war zum Zeitpunkt unseres Besuchs sehr gut frequentiert, das zeugt von großem Interesse der Bevölkerung. Schon beim Zugang zum Ausstellungsbereich im Obergeschoss des Oldenburger Landesmuseums kann der Besucher die gesamt 50 ausgestellten Bilder in zwei Formaten (ca. 40×60 / 67×100 Zentimeter) überblicken, die an den langen Außenwänden aufgehängt wurden. Die Farbfotografien werden rahmenlos, gedruckt auf ca. 5 Millimeter starken Leichtschaumplatten, in matter Ausführung präsentiert. Ein neben jedem Foto stehender Begleittext informiert den Betrachter zum Bildinhalt.
Bei den Bildern überwiegt natürlich der dokumentarische Charakter, niemand würde hier Unschärfen oder Über-und Unterbelichtungen bemängeln, denn diese Bilder sind unter äußerst schwierigen Bedingungen entstanden. Zu keiner Zeit gab es für Esther Horvath natürliches Licht, nur tiefschwarze Dunkelheit. Die einzigen Lichtquellen gingen vom Forschungsschiff aus oder von den mobilen Hand- oder kleinen Stirnlampen. Dennoch ist die Qualität der Fotografien bemerkenswert gut, was letztlich auch auf die Fähigkeiten und Erfahrungen der Fotografin zurück zu führen ist.
Außeneinsätze waren in jeder Situation gefährlich, immer bestand die Gefahr von Fehltritten im sich ständig verändernden Eis, sich übereinander schiebenden Eisschollen und auch sich nähernden Eisbären, die auf der Nahrungssuche auch Menschen angreifen würden. Darum wurden Außeneinsätze immer von mehreren bewaffneten Eisbärwächtern begleitet. Dokumentiert wurden von Esther Horvath nicht nur die wichtigen Forschungsarbeiten und die sich ständig ändernden, außergewöhnlichen Polarlandschaften, sondern auch das alltägliche Leben und Zusammenleben der Besatzungsmitglieder. Bilder, wie das vom Helikopterpiloten an der Nähmaschine, der Flaggen näht, um die Markierung der Landestellen an den autonomen Messstationen zu markieren, zeigen die Vielseitigkeit hochqualifizierter Wissenschaftler und Techniker, die selbst für viele erforderlichen Voraussetzungen zur Erledigung ihrer Arbeit sorgen müssen.
Die Halloween-Party an Bord der Polarstern fiel zwar geringer aus, aber dennoch gelang einem Besatzungsmitglied die Verkleidung als C-3PO, dem aus den Star Wars-Filmen bekannten Roboter. Die eigentliche Arbeit des verkleideten Wissenschaftlers besteht im Vermessen von Aerosolpartikeln und Wolken per grünen Laserstrahl in über 20 Kilometern Höhe. Auch der Weihnachtsbaum fehlte im Dezember nicht auf der Polarstern. Der wahrscheinlich künstliche, mit reichlich Deko verzierte und beleuchtete Weihnachtsbaum wirkt zwar etwas skurril im ansonsten nüchternen Aufenthaltsraum, dennoch wird er für weihnachtliche Gefühle gesorgt haben.
Wenn der Bootsmann der Polarstern nach seinem Arbeitstag seinem Hobby frönt und seinen improvisierten Friseursalon öffnet, gibt es einen kostenlosen Haarschnitt. Auf dem Foto passt alles: Gepflegt aussehender Friseur und ein vertrauensvoller Kunde in Erwartung eines guten Frisurergebnisses! Ebenso ungewöhnlich erscheint dem Betrachter das Bild von einem Eisforscher, der täglich in der Sauna seiner finnischen Tradition nachgeht. Besonders gut hat mir das Bild von einigen fussballspielenden Besatzungsmitgliedern auf einer von der Polarstern beleuchteten Eisfläche gefallen. Es ist immer wieder bemerkenswert, wie sich der Mensch auch auf schwierige Umgebungsbedingungen einstellt und darüber hinaus noch nach Möglichkeiten zur Freizeitbeschäftigung sucht und findet.
Mit dem Fototitel ’Wachschicht mit Ananas’ präsentiert sich eine erfahrene Logistik-Koordinatorin in ihrem Lieblingsoutfit – einem schützenden Sicherheitsanzug im auffälligen gelben Farbton mit kleinen, diagonal verlaufenden, braunen Quadraten. Nur der Brust- und Bauchbereich unterbricht das Muster mit einem weißen Oval. Dazu orangefarbene Stiefel und eine Fellkapuze. Stil ist auch am Ende der Welt zu finden! Aber auch das Gewehr, das sie als Bärenwächterin während ihrer Schicht dazu trägt, erreicht mindestens die gleiche Aufmerksamkeit.
„Wer bist du?“ ist oftmals eine Frage zur Identifikation einer Person im Aussenbereich, die sich aufgrund der extremen Kälte bis zur Unkenntlichkeit mit wärmender Schutzkleidung vermummt hat. Die Silhouette einer Person im Gegenlicht der großen Polarstern-Scheinwerfer bringt diese Frage deutlich zum Ausdruck. Bei anderen Bildern der Ausstellung wirken die Szenen mit Personen in ihren Schutzanzügen im Gegenlicht der starken Scheinwerfer oftmals wie Aufnahmen aus einer Science Fiction-Produktion. Weitere Fotografien zeigen die Wissenschaftler/innen bei der Installation von Messstationen oder auch der Arbeit mit futuristisch anmutenden Geräten und Aufbauten.
Mitte Dezember wird die Ablösung des ersten Expeditionsteams durchgeführt. Ein russisches Versorgungsschiff bringt nach den ersten dreieinhalb Monaten der Expedition einhundert neue Expeditionsteilnehmer zur Polarstern. Esther Horvaths Bild zeigt den eintreffenden russischen Eisbrecher, ein echter Grund zur Freude. Nach einigen Tagen gemeinsamer Arbeit und Übergabe reist die bisherige Mannschaft mit dem Versorgungsschiff zurück nach Tromsö.
Esther Horvaths Foto mit dem Titel ’Neugieriger Besuch’, das eine Eisbärin und ihr Junges im Lichtschein der Polarstern bei der Untersuchung einer roten Fahne auf einer Eisscholle zeigt, wurde mit dem ersten Platz in der Kategorie ’Umwelt’ des World-Press-Photo-Wettbewerbs 2020 ausgezeichnet. Ein von der Fotografin signiertes Bild mit diesem Motiv im Format 100×67 Zentimeter wird bis zum 1. August 2021 zugunsten des Neuaufbaus der umBAUbar zum Höchstgebot per Mail versteigert. Interessenten können sich mit einem Gebot dazu an die Mediavanti GmbH wenden.
Rundum ist die Ausstellung ’Polarnight’ sehenswert. Esther Horvath hat ihr Ziel erreicht, nämlich den an der größten Herausforderung der Menschheit arbeitenden Wissenschaftler/innen ein Gesicht zu geben und die Dringlichkeit zu Veränderungen unserer nehmenden Konsumgesellschaft zu unterstreichen. Sehr bedauerlich ist, dass die Ausstellung auf Oldenburg begrenzt bleibt und nicht weiterreisen wird!
Die Anreise der ExifCafé-Mitglieder hat sich für diese Ausstellung in jedem Fall gelohnt, aber damit war der Tag ja längst noch nicht zu Ende. Nach dem Ausstellungsbesuch war Zeit für eine Pause und Gelegenheit für Diskussionen zur Ausstellung und anderen Themen. Auf dem Weg zu unserer ersten Raststätte überquerten wir die Hunte, als die Frage zu einem Gruppenfoto gestellt wurde. Ohne Stativ ein etwas schwieriges Unterfangen, wenn alle auf dem Bild sein wollten, aber das breite Brückengeländer bot ausreichend Platz zur Auflage der Kamera. Kameraeinstellungen vornehmen, Selbstauslöser auf 10 Sekunden, kurzer Spurt zur bereits aufgestellten Gruppe – und dann nahte eine Radfahrerin! Und als das ’Vögelchen’ in der Kamera zu sehen war, fuhr die Radfahrerin exakt mittig ins Bild! Kurioser Zufall, an den wir unseren Spaß hatten! Natürlich gab es einen zweiten Versuch zum Gruppenfoto, der dann auch – ohne Fremdkörper – das gewünschte Ergebnis lieferte.
Dank unserer ortskundigen Fotofreunde des ehemaligen FotoStammtisch.Net saßen wir kurze Zeit später im schattigen Biergarten ’Zur Brückenwirtin’. Dort war nicht nur der Platz unter Bäumen die erste Wahl, in der Speisenkarte fand auch jeder das passende Gericht und Getränk. Besser hätte es nicht sein können!
Nach einer ausgedehnten Pause war unser nächstes Ziel der ca. 16 Hektar große Schlossgarten Oldenburg, einer der bedeutenden historischen Parkanlagen im Stil eines englischen Landschaftsgartens. Bei unserem Eintreffen sind auf der Alten Hunte Besucher mit Tretbooten unterwegs, weitläufige Rasenflächen laden die Spaziergänger und Rastsuchenden zum Verweilen ein, verschlungene Wege führen an üppigen Blumenbeeten und imposanten Baumriesen mit beachtlichen Stammumfängen vorbei und kleine Bachläufe und angelegte Seen sind geeignete Ansichten, um mal wieder die Seele baumeln zu lassen. Ein eigenes Ortseingangsschild im Schlossgarten weist Oldenburg als Deutschlands Tropenhauptstadt aus. Strelitzien, Bananenpflanzen und andere exotische Gewächse belegen den Anspruch. Seit 1978 steht der Schlossgarten Oldenburg unter Denkmalschutz, ist Gartenkunstwerk und Naherholungsgebiet zugleich. In diesem schönen und ruhigen Umfeld haben wir bei bestem Wetter mit angeregter Unterhaltung den Nachmittag verbracht.
Zum Abschluss unserer Tagesfahrt besuchten wir noch das ’Cafe & Bar Celona’ in der Oldenburger Innenstadt auf ein kühles Getränk, bevor wir uns von unseren norddeutschen Fotofreunden verabschiedeten und die Heimfahrt starteten.
Das war ein guter Tag! Eine sehenswerte Ausstellung, das Treffen mit Svens Fotofreunden, die jetzt auch unsere Fotofreunde sind, interessante Gesprächsthemen mit viel Spaß und dem Vorhaben, schon bald wieder mal in Oldenburg zu sein!