Schon seit Mitte November 2019 stand der Besuch der Fotoausstellung „Untold Stories“ von Peter Lindbergh auf dem Plan des ExifCafés. Ursprünglich wollten wir uns diese Ausstellung in Düsseldorf ansehen – aber dann brachte das Coronavirus alle Planungen zum Erliegen. Nachdem Museums- und Ausstellungsbesuche wieder erlaubt wurden, gab es die Möglichkeit, die „Untold Stories“ in Düsseldorf mit unserem Photowalk zu den Kranhäusern in Köln zu verbinden, aber die Ausstellung „Gold“ von Sebastião Salgado in der Kölner Galerie Bene Taschen lockte uns zwischenzeitlich auch. Und weil wir vom ExifCafé sehr gerne gemeinsam unterwegs sind, lag es nahe, mit dem Besuch der Ausstellung „Untold Stories“ in Hamburg einen zusätzlichen Termin mit anschließendem Photowalk zu planen.
Am Samstag, den 25. Juli 2020 war es soweit. Dieses Mal waren wir sogar mit zwei Fahrzeugen unterwegs. Pünktlich um 6.00 Uhr startete unser Auto Richtung Hamburg. Bei einem telefonischen Standortvergleich gegen 7.00 Uhr stellten wir fest, dass nur wenige Kilometer zwischen beiden Fahrzeugen lagen. Schon um 8.15 Uhr berichtete Sven telefonisch, dass die ersten ExifCafé-User die Sonne am Fähranleger Finkenwerder genießen, was uns nur 10 Minuten später auch zuteil wurde. Das Gruppenticket für die gemeinsame Nutzung der öffentlichen Verkehrsmittel wie Fähren, Bus sowie S-und U-Bahn hatte Sven schon über sein Handy gebucht, dadurch konnte es sofort losgehen – mit dem zwischenzeitlich schon obligatorischen Brötchen auf der Hand. Schnellen Schrittes erreichten wir die Fähre ab Finkenwerder in Richtung St. Pauli Landungsbrücken um 8.45 Uhr.
Die etwa zwanzigminütige Fährfahrt ist genau der richtige Einstieg zu einer Hamburg-Tour. Und auch alle anderen Rahmenbedingungen passten: Unterwegs mit einer gleichgesinnten Gemeinschaft, den ganzen Tag noch vor uns, gutes Wetter mit angenehmen Temperaturen, beste Aussichten links und rechts der Elbe bis hin zu den entfernten Landungsbrücken und schon sichtbaren Umrissen der HafenCity mit der Elbphilharmonie, in Erwartung einer guten Fotoausstellung und eines insgesamt ereignisreichen Tages in Hamburg.
Erstes Ziel nach dem Erreichen der St. Pauli-Landungsbrücken war der naheliegende Stintfang. Als wir uns noch orientierten, hatte Sven bereits die von Heinz angepriesenen „Franzbrötchen“ gekauft, mit denen der Ausblick auf Elbe und HafenCity vom höher gelegenen Stintfang noch gesteigert werden kann. Das kann man vorbehaltlos bestätigen: Franzbrötchen und Ausblick vom Stintfang sind einzeln bewertet schon grandios, gemeinsam jedoch ein genussreiches und augenblickliches Erlebnis, an das man sich noch lange erinnert! Übrigens: Franzbrötchen sind eine Spezialität der Hamburger Küche, die häufig auch schon zum Frühstück gereicht wird. Passte also auch zur Uhrzeit!
Vom Stintfang führte uns der Weg vorbei an den „Tanzenden Türmen“ (über die in einem vorhergehenden Bericht schon geschrieben wurde) zum MK&G, dem Museum für Kunst & Gewerbe, in dem Peter Lindberghs Ausstellung „Untold Stories“ gezeigt wird.
Kurz vor seinem Tod im September 2019 hatte der 1944 geborene Fotograf Peter Lindbergh seine erste, selbst kuratierte Werkschau fertiggestellt. Seine selbst getroffene Fotoauswahl besteht aus ca. 140 Arbeiten aus den frühen 80er Jahren und anderen bis in die Gegenwart. Gezeigt werden Arbeiten für internationale, renommierte Magazine und ergänzend viele, bislang unveröffentlichte Fotografien, die eine unerwartete Seite seines Schaffens offenbaren. Die Ausstellung bestätigt auch die Vielfältigkeit Peter Lindberghs, sie lädt zum Entdecken vieler bisher unerzählter Geschichten ein. Wichtig war dem Fotografen, dass seine Bilder der Phantasie des Betrachters ohne weitere Texterläuterungen jeglichen Freiraum lassen.
Das MK&G ist ein würdiger Ort für diese außergewöhnliche, inhaltlich und umfänglich hervorragende Ausstellung. Die Präsentation ist sehr ansprechend. Die Show der Lindbergh-Fotos beginnt bereits im Erdgeschoss mit überdimensionalen Fototapeten, die der Architektur des rundgestalteten Treppenaufgangs angepasst wurden. Die große, lichtdurchlässige Kuppel des Innenbereiches sorgt für natürliche Beleuchtung – insgesamt eine gelungene und sehr bemerkenswerte Inszenierung, die beeindruckende Ansichten der Fotografien bietet. In den großzügigen Ausstellungsräumen wurden die Exponate in unterschiedlichen Dimensionen geradlinig und grafisch exakt angeordnet. Weitestgehend Fotografien in Schwarz/Weiß, gerahmt mit braunen, gemaserten Holzleisten, angebracht an hellen Wänden. Was manche Betrachter vielleicht stört, ist die bewusste Verwendung von nicht spiegelfreiem Glas vor den Fotografien. Dadurch wird der Betrachter gewollt mit seinem Spiegelbild und allen Reflexionen des Umfeldes in die Szenen der Fotos einbezogen und somit selbst ein Teil der Geschichte.
Einzigartig und extrem beeindruckend ist der Ausstellungsteil „Testament“. Zwei Monate vor dessen Hinrichtung filmte Lindbergh im Jahr 2013 den in Florida zum Tode verurteilten Mörder Elmer Carroll durch einen Einwegspiegel. 30 Minuten lang blickte Carroll in sein eigenes Spiegelportrait, das Gedanken auslöste und Erinnerungen in ihm weckte. Lange Minuten ohne mimische Bewegung, aber auch einmal ein kurzes Lächeln. Dieser Film ist auf einer Großbildleinwand zu sehen. In einem großen, rechteckigen Raum daneben, der ebenfalls abgedunkelt ist, sind mehrere großformatige Portraits an allen vier Wänden aufgehängt, in denen sich die gegenüberliegend angebrachten Portraits spiegeln. Die Wirkung der Spiegelungen in den Portraits sowie die Raumgestaltung und Anordnung der sich gegenüber befindlichen Portraits ist einzigartig. Die Möglichkeiten, durch eigene Perspektiven neue Bilder im Bild durch Spiegelungen zu schaffen, sind unglaublich und einfach nur brillant! Es entstehen augenscheinliche 3D-Ansichten, die man niemals in dieser Form erwarten würde – meisterlich! Allein das zu sehen, war diesen Ausstellungsbesuch wert!
Über diese Ausstellung gäbe es noch viel mehr zu berichten, doch es würde den Rahmen unseres Berichtes sprengen. Nur das muss noch erwähnt werden: Peter Lindbergh hat seit den 1980er Jahren mit der erweiterten Bildsprache der Modefotografie Geschichte geschrieben. In der Fotografie hat er seinen ewigen Platz. An seinen Namen und seine Arbeiten wird man sich immer erinnern.
Nach dem Ausstellungsbesuch haben wir uns zum Gedankenaustausch, Relaxen und zur weiteren Tagesplanung erst einmal für ein kühles Getränk ins „Prego“ gesetzt, das eingangs der Mönckebergstraße, Hamburgs berühmtester Einkaufsmeile, liegt. Frisch gestärkt steuerten wir danach den erst im Dezember 2018 eröffneten Bahnhof „Elbbrücken“ an, dessen Architektur und Umfeld mit dem Skywalk immer wieder ein oder auch mehrere Fotos wert sind. Von dort aus ging es zur U-Bahnstation HafenCity Universität, um zur vollen Stunde das zur eingespielten Musik wechselnde Farblichtspektakel der vielen, großvolumigen LED-Beleuchtungen zu betrachten. Dort kamen natürlich auch wieder die Stative zum Einsatz, um Station, Lichter, fahrende U-Bahnen und Personenbewegungen zu fotografieren.
Eigentlich hatten wir uns auch den Rundgang über die „Plaza“ der Elbphilharmonie ins Tagesprogramm geschrieben. Weil an diesem Samstag der Besucherandrang jedoch sehr groß war und wir dadurch lange Wartezeiten bis zum Einlass hatten, haben wir diesen Part erneut auf unseren nächsten Hamburg-Photowalk verlegt. Dann werden wir unseren Einlasstermin im Voraus übers Internet buchen. Aber ein ordentliches Foto der „Elphi“ wollten wir dennoch machen! Zu diesem Zweck führte uns Sven mit seinen Insiderkenntnissen von der U-Bahn-Station „Baumwall“ über eine lange Pontonbrücke bis zu einem Spot, von dem aus man einen freien Blick auf die Elbphilharmonie hat. Sehr nah und schwankend am Objekt, stürzende Linien garantiert! Aber dennoch ein außergewöhnlich guter Fotostandort, den nur wenige Hamburg-Besucher kennen.
Bis zu den Landungsbrücken war es vom Insider-Spot nicht weit, als nächstes wollten wir den Alten Elbtunnel durchqueren. Vorher wurden die ersten Fischbrötchen gekauft, um drüben in Steinwerder die Aussichten auf die HafenCity, Landungsbrücken und Hamburger Skyline (nach den morgendlichen Franzbrötchen am Stintfang) ebenfalls standesgemäß zu genießen. Einige der ExifCafé-User nahmen zum Abstieg bis zum Tunneleingang die Treppe, andere bevorzugten einen der Fahrstühle. Entsprechend dem Wochenendtreiben herrschte auch im Alten Elbtunnel reger Publikumsverkehr. Auf den schmalen Bürgersteigen rechts und links im Tunnel waren hunderte von Fußgängern unterwegs, die schmale Bahn dazwischen wurde von Radfahrern, teils mit satten Geschwindigkeiten genutzt. Es fiel auch auf, dass die Temperatur im Tunnel kaum über +14 Grad lag. In Steinwerder angekommen, standen und saßen viele Besucher am breiten Aussichtspunkt, um sich entspannt und gut gelaunt über das schöne Wetter und die interessanten Aussichten zu freuen. Mit etwas Abstand war von hier aus u. a. auch die „Elphi“ ohne stürzende Linien zu fotografieren.
An dieser Stelle muss ich die Fischbrötchen noch einmal erwähnen. Der Genuss des Fischbrötchens bei schöner Aussicht ist hervorragend, nur gibt es auch ein Danach. Nämlich dann, wenn die Maske nach dem Fischbrötchen direkt wieder aufgesetzt werden muss, um ordnungsgemäß zurück durch den Tunnel zu den St. Pauli Landungsbrücken zurückzukehren. Fischbrötchen und Maske passen also nicht wirklich zusammen, aber diese Erfahrung muss man auch erst einmal machen!
Unser letztes Ziel des Tages sollte das Dockland sein. Ein schiffsähnliches Gebäude in Form eines Parallelogramms, das im Wasser der Elbe integriert und eines der auffälligsten Gebäude in Hamburg ist. Ein wahrer Eyecatcher, der die Möglichkeit bietet, über Treppen auf die oberste Ebene, das Dach zu gelangen. Auf dem Weg zum Dockland fuhren wir mit der Fähre am Kreuzfahrtschiff AIDA perla vorbei, das kurz vor dem Dockland vor Anker lag. Das Schiff ist ziemlich genau 300 Meter lang und bietet Platz für 4.350 Passagiere. Ein imposanter Anblick! Auf dem Dach des Dockland stehend ist man auf „Augenhöhe“ mit diesem Kreuzfahrtschiff, eine Perspektive, die man auch nicht oft hat. Aber auch schon der weite Blick über die Elbe, den Köhlbrand und zur Köhlbrandbrücke, die „Giraffen“ im Containerhafen und das lebendige Treiben im Hafen entschädigen für das Treppensteigen. Ein Teil unserer Gruppe kannte diese Aussicht bereits von früheren Hamburg-Besuchen und hatte sich für Langzeitbelichtungen der Seitenansicht des Docklands entschieden. Das Licht war gut und Wolkenbewegungen waren auch vorhanden, also gute Voraussetzungen für interessante Fotos!
Nachdem alle Fotos „im Kasten“ waren, brachte uns die Fähre gegen 19.00 Uhr zurück nach Finkenwerder. Unterwegs mit der Fähre setzte leichter Regen ein, der sich jedoch in Grenzen hielt. Beim abschließenden Restaurantbesuch entschieden wir uns daher auch für einen Tisch im Freien der „Finkenwerder Landungsbrücke“. Unter einem dicht belaubten Ahornbaum saßen wir im Trockenen bei angenehmen Temperaturen, mit stärkenden Speisen und erfrischenden Getränken noch bis zur Abfahrt um 20.00 Uhr Richtung Bielefeld zusammen.
Unser Photowalk in Hamburg war wieder ein besonderer Tag – mit einer Gemeinschaft, bei der Spaß garantiert ist! Und bestimmt waren wir nicht das letzte Mal in Hamburg!