Bereits Anfang August dieses Jahres wurde die World Press Photo Exhibition in unserem Forum thematisiert, die leider nur in einem dreiwöchigen Zeitraum vom 24.10. bis 15.11.2020 im Kulturort Depot Dortmund gezeigt wird.
Unseren Besuch in Dortmund hatten wir für den 24.10.2020, den Ausstellungs-Eröffnungstag geplant. Aus beruflichen, gesundheitlichen und coronabedingten Vorsichtsmaßnahmen hatte sich unser Teilnehmerkreis kurzfristig minimiert, so dass dieser Ausstellungsbesuch letztlich komplett in Frage gestellt war. Wegen des kurzen Ausstellungszeitraumes und der günstig gelegenen Nähe zu Dortmund haben sich die verbliebenen Teilnehmer nach kurzer Abstimmung jedoch für den Ausstellungsbesuch entschieden.
Die Autobahn war am Samstagvormittag frei, bereits nach 50 Minuten Fahrzeit war das Ziel Kulturort Depot in Dortmund erreicht. Etwas erstaunt registrierten wir dort, dass außer uns keine weiteren Besucher zur Ausstellungseröffnung um 11.00 Uhr auf den Einlass warteten. Wir waren ganz unter uns, die Ausstellung gehörte dem ExifCafé! Erst nach fast einer Stunde kamen vereinzelt weitere Ausstellungsbesucher, die sich im großzügigen Ausstellungsraum jedoch mit viel Abstand „verliefen“. Im gesamten Zeitraum unseres Aufenthaltes bei der Ausstellung waren jedoch nie mehr als 10 Besucher anwesend.
Diese 63. Ausstellung des World Press Photo-Wettbewerbs zeigt die Ergebnisse/Auswahl aus 73.996 eingereichten Fotos von 4.282 Fotografen aus 125 verschiedenen Ländern. Seit 1955 ist die „World Press Photo-Exhibition“ jährlich in mehr als 120 Städten weltweit zu sehen. Die Ausstellungslocation in Dortmund, ein ehemaliges Straßenbahn-Depot, ist räumlich und optisch bestens für Ausstellungszwecke geeignet. Gezeigt wurden ca. 70 Fotos, einzeln groß oder auch als kleine Serie, gedruckt auf großflächigem Karton, ca. 160×120 cm. Angebracht waren die Bildtafeln an weißen Stellwänden, ergänzt mit Texten in Deutsch und Englisch, die über Aufnahmeort, Thema und weitere Inhalte und Umstände zum Bild informierten.
Natürlich hat jeder Besucher seine eigenen Erwartungen vor dem Ausstellungsbesuch. Schon im Vorfeld war ich darauf eingestellt, Bilder von Krieg, Terror, Tod, Flucht und verzweifelten Menschen zu sehen – von intensivsten Emotionen, Widersprüchen, Zufällen und einmaligen Augenblicken. Darin wurden meine Erwartungen auch bestätigt, nur ist die auf den Bildern dargestellte Realität oft deutlicher und auch grausamer als die Vorstellung.
Als regelmäßiger Zeitungsleser und interessierter Betrachter von Magazinen und anderen Printmedien sieht man im Laufe eines Jahres viele Fotos zum aktuellen Weltgeschehen. Viele Bilder davon bleiben mir auch im Gedächtnis. Wie zum Beispiel das Foto des dreijährigen Jungen, der ertrunken an einem türkischen Strand angespült wurde. Ein Flüchtlingskind aus Syrien, das dem Mittelmeer zum Opfer fiel. Dieses Bild werde ich nie vergessen! Oder das Foto des mit verschränkten Armen sitzenden Donald Trumps und der ihm gegenüberstehenden Angela Merkel, die ihn mit auf dem Tisch aufgestützten Armen herausfordert, während ihr alle anderen G7-Staatsführer aus nächster Nähe, im engen Kreis um sie herum, bei dieser Aktion zusehen. Um es vorweg zu nehmen: Ich habe keines der Bilder, die in dieser Ausstellung gezeigt wurden, in einer Zeitung oder einem Magazin zu einem früheren Zeitpunkt gesehen.
Die fotografisch dokumentierten Szenen erstrecken sich auf viele Themenbereiche des Lebens in unserer gemeinsamen Welt: Die Auswirkungen des Klimawandels in der Arktis, die katastrophalen Waldbränden riesigen Ausmaßes in Australien und den USA. Im krassen Gegensatz dazu Bilder vom Hurrikan „Dorian“, der im September als stärkster atlantischer Hurrikan, der jemals auf Land getroffen ist, auf den zu den Bahamas gehörenden Inseln Abaco und Grand Bahama Verwüstungen von historischem Ausmaß hinterließ. Oder auch das Foto eines Geschäftsmannes, der gekleidet im feinsten Anzug, zum Abschluss eines Ausstellungstages der „IDEX“, einer der größten Waffenhandelsmessen, ein paar Panzerabwehrgranaten hinter einer Tür wegschließt. Andere Bilder zeigen den Einfluss der Taliban in Afghanistan, flüchtende Hotelgäste während eines Terrorangriffs auf ein Luxushotel in Nairobi, Szenen von Krieg, Terror und Zerstörung, bei denen fast immer der Mensch der Auslöser von unbeschreiblicher Not und Elend ist.
Es gibt auch Bilder aus dem Sport, zum Beispiel aus Japan, mit dem weltweit größten Anteil der Bevölkerung mit Menschen, die älter als 65 Jahre sind, deren Einsamkeit mit gemeinsamen sportlichen Aktivitäten entgegengewirkt wird. Festgehalten wurde auch der besondere Moment eines Basketballspiels in den USA, bei dem in der letzten Sekunde des Spiels der Ball auf dem Korbring tanzt und letztlich mit dem Weg ins Netz das Spiel entscheidet – während die Gesichter der vielen Zuschauer und Akteure die vielfältigen Emotionen dieses Moments spiegeln. Eindrucksvoll ist auch das Foto von der Parade des FC Liverpool, der nach dem Gewinn der UEFA Champions League im Doppelstockbus durch die Straßen Liverpools fuhr, begleitet von 750.000 Fußballfans. Die vollständige Aufzählung der Themenbereiche und Inhalte der fotografischen Dokumentationen würde zu umfangreich werden, um sie hier weiter zu nennen.
Eine Korrektur zu meiner Aussage, dass ich noch keines der ausgestellten Fotos vorab gesehen hatte, muss ich doch noch anbringen: Ein Foto von Maximilian Mann hatte ich während der Ausstellung von Felix Schoeller in Osnabrück schon gesehen, bei der ergänzend die Arbeiten einiger Anwärter zum „World Press Photo Award 2020“ gezeigt wurden. Das Foto zeigt eine freundlich-friedliche Szene innerhalb einer von der Weltöffentlichkeit unbemerkten Umweltkatastrophe zum nahezu ausgetrockneten Urmia-See im Nordwesten des Irans. Dieser See war einst einer der größten Salzseen der Welt. Bereits im Jahr 2014 hatte er nur noch 12% seiner ursprünglichen Größe. Dieses Foto ziert auch meine an der Tageskasse erworbene Eintrittskarte zur Ausstellung „World Press Photo Exhibition 2020“, die mich mit der laufenden Nummer 000001 als ersten Besucher der diesjährigen Ausstellung ausweist (siehe oben).
Bei unserer seinerzeitigen Besuchsplanung hatten wir noch eigene fotografische Aktivität in und um Dortmund herum geplant. Das Wetter am Samstag war eigentlich ganz gut, wenngleich ab und zu für kurze Zeit leichter Regen fiel. Aufgrund der verminderten Gruppenstärke haben wir jedoch auf eigene Fotografie verzichtet. Ein kurzer Schnellrestaurant-Besuch bildete den Abschluss unseres Dortmund-Ausfluges, bevor wir uns auf den Rückweg nach Bielefeld gemacht haben.
Die Ausstellung ist gut. Meine Erwartung, einige der populären Fotos aus den Printmedien des Jahres wieder zu sehen, wurde nicht erfüllt. Erwartungsgemäß war jedoch, dass die Ausstellungsbilder in dieser dokumentarischen Form im Vergleich zu den üblich schönen, gestylten und bis ins letzte Detail bearbeiteten Fotografien eine ganz andere Welt sind. Leider mehrheitlich die reale Welt. Hier steht die Bildaussage im Mittelpunkt. Der passende, richtige Moment der Aufnahme verweist Technik und Gestaltung oftmals auf die Plätze. Pure Dokumentation, die wachrütteln soll, die unsere „heile Welt“ in Frage stellt oder gar auflöst. Wie nachhaltig, wie lange die Erinnerung daran zugelassen wird, bestimmt jeder Betrachter für sich selbst. Ich werde mich noch sehr lange erinnern.