Die World Press Photo-Exhibition steht natürlich jedes Jahr im Kalender des ExifCafés. Nachdem sich einige ExifCafé-User die Ausstellung bereits am 11. November 2023 im Kulturort Depot in Dortmund angesehen hatten, war aber noch immer so viel Interesse vorhanden, dass ein weiterer Besuch dieser Ausstellung im Landesmuseum Kunst und Kultur Oldenburg für Samstag, den 24. Februar geplant wurde. Und natürlich haben wir uns auch auf ein Wiedersehen mit unseren norddeutschen Fotofreunden gefreut!
In diesem Jahr zeigt die World Press Photo-Ausstellung im Oldenburger Schloss bereits zum neunten Mal die jährlich preisgekrönten Aufnahmen des weltweit größten und wichtigsten Wettbewerbs für Pressefotografie. 3.752 Fotoreporter aus 127 Ländern hatten sich mit mehr als 60.000 Bildern am Wettbewerb beteiligt. Der World Press Photo Contest wurde 1955 von der ‚Niederländischen Vereinigung der Fotoreporter‘ erstmals durchgeführt. Jahr für Jahr verdeutlicht er den großen Stellenwert der Pressefotografie, gibt über den Bildjournalismus kleinen und großen Geschichten ein Gesicht und zeigt dabei die Umstände, unter/mit denen wir Menschen leben.
Eigentlich wünscht man sich gegenseitig für einen Ausstellungsbesuch ‚viel Spaß‘, aber nachdem wir in den Vorjahren bereits einige World Press Photo-Ausstellungen besucht haben, wissen wir, dass die ausgestellten Bilder eher sehr nachdenklich machen und teilweise auch schockierend sind.
Pressefreiheit sollte als Selbstverständlichkeit gelten – die Realität sieht jedoch anders aus: Die Organisation Reporter ohne Grenzen (RSF) schätzt, dass etwa die Hälfte der Weltbevölkerung keinen Zugang zu freier Berichterstattung hat und dass in den letzten zwanzig Jahren mehr als 1600 Journalisten bei ihrer Berufsausführung getötet wurden. Nachfolgend nur einige Beschreibungen der ausgestellten Exponate:
- Das Pressefoto des Jahres 2022 hat Evgeniy Maloletka eingereicht. Es zeigt, wie eine verletzte Schwangere aus der Geburtsklinik in Mariupol (Ukraine) getragen wird, die am 9. März 2022 bei einem russischen Luftangriff getroffen wurde. Das Baby kam tot zur Welt, eine halbe Stunde später starb auch die Frau. Die Jury deutete dieses Foto sinnbildlich als einen Angriff auf die Zukunft der Ukraine.
- Getröstet von ihrem Lebensgefährten und ihrer Mutter trauert auf der Straße eine Frau um ihren toten Vater, der durch Granaten getötet wurde, als er gerade Brot kaufte. Für die Jury brachte dieses Foto die Trauer und das Grauen auf den Punkt, was die ukrainische Zivilbevölkerung seit dem russischen Einmarsch täglich erleidet.
- Eine kleine Bildserie zeigt die Golden Gays, eine Gruppe älterer LSBTIQ*-Menschen, die auf den Philippinen seit Jahrzehnten zusammenleben und untereinander unterstützen. Tagtäglich haben sie mit Diskriminierung, Vorurteilen und vielen Herausforderungen zu kämpfen. Sie veranstalten Shows und Schönheitswettbewerbe, um über die Runden zu kommen. Die Jury schätzt an dieser Reportage, wie sie die Herzlichkeit, Freude und Würde dieser Gemeinschaft vermittelt.
- Auch fotografisch sehenswert umgesetzt fand ich den Einzelfotobeitrag von Lee-Ann Olwage ‚Das große Vergessen‘. Eine auf einer Bank sitzende ‚Wortführerin‘ des ‚Hexencamps‘ in Gambaga, Ghana wird von anderen, auf dem Foto verwischt dargestellten Bewohnerinnen umkreist. Die Wortführerin zeigt infolge einer Demenzerkrankung Anzeichen von Verwirrung und Gedächtnisverlust. Durch die steigende Lebenserwartung wird Demenz in Ghana und ganz Afrika zunehmend zu einem medizinischen und soziokulturellen Thema. Da es an öffentlichem Bewusstsein für das Verhalten an Demenz erkrankter Personen mangelt, hält man Frauen mit solchen Symptomen manchmal für Hexen, die darum von ihren Familien fortgeschickt werden, um zukünftig in ‚Hexencamps‘ zu leben. Die Fotografin möchte mit ihrem persönlichen Projekt auf die kaum wahrgenommenen Geschichten von Demenzkranken in Afrika aufmerksam machen.
- In weiteren Dokumentationen geht es um den Klimawandel, der in manchen Ländern zu langanhaltenden Dürreperioden und in anderen Regionen zu großflächigen Überschwemmungen führt und die Menschen nach Möglichkeiten zur Abhilfe auf verschiedenen Wegen zur Klimaneutralität forschen lässt. Nach dem EU-Beschluss, den CO2-Ausstoß bis zum Jahr 2030 um mindestens 55% und bis 2050 auf null zu reduzieren, werden innovative Technologien und Wege gesucht, um diese Ziele zu erreichen. Die Fotografin Simone Tramonte dokumentierte in ihrem Langzeitprojekt vertikal angebaute Nutzpflanzen, für die der Wasserverbrauch gesenkt und die Anbauflächen effizienter bewirtschaftet werden können, Photovoltaik-Module, deren beidseitig angebrachte Solarzellen Energie produzieren können, wie ausgestoßenes Kohlendioxid eines Geothermie-Kraftwerks zurück in Erdwärmequellen geleitet wird, um die Umweltbelastung zu minimieren, wie leichter speicherbare Sonnenwärme statt Sonnenlicht zur Stromerzeugung genutzt wird, wie mehr als eine halbe Million Menschen mit Energie über einen Abfallbunker eines Müllheizwerkes über das größte Fernwärmenetz Italiens versorgt werden und wie mit Hilfe eines Photobioreaktors in einer Produktionsstätte in Island Nahrungsergänzungsmittel aus Algen hergestellt werden können.
- Aber ein Bild der puren Freude gab es in der World Press Photo-Ausstellung doch noch! Es zeigte jubelnde Argentinier, nachdem die argentinische Fußball-Nationalmannschaft den Weltmeistertitel in Katar gewonnen hatte. Viele ausgelassen feiernde Menschen haben einen Kleintransporter komplett bis hin zum Fahrzeugdach besetzt. Ein Moment, in dem alle Sorgen und Nöte vergessen sind.
Die World Press Photo-Ausstellung 2023 findet in den Räumen des Oldenburger Schlosses den würdigen Rahmen, die Kuratierung ist – wie immer – sehr gut gelungen. Inhaltlich sind die Reportagen wie erwartet. Fast alle Beiträge befassen sich mit den großen Problemen unserer Zeit, wie Krieg und Krisen, Migration und politische Gewalt, physisches und psychisches Leid, massive Umweltverschmutzung, Macht und Geld, Ausnutzung unterer Volksschichten, Diskriminierung und demografische Veränderungen. Ein drängendes Thema ist der Klimawandel und dessen gravierende Auswirkungen, wie Meeresspiegelanstieg, Überschwemmungen, Hitze und Dürre, und Versuche, bereits bestehende Umweltschäden durch Anpassungen, innovative Technik und intensive Forschung zu reparieren oder zumindest zu mildern.
Die World Press Photo-Ausstellung hat ihren eigenen Charakter. Sie zeigt die dokumentierte, nackte Wahrheit unserer Zeit, hält uns einen Spiegel vor, in dem der Umgang der Menschen untereinander und mit der Natur verdeutlicht wird. Ausgefeilte Aufnahmetechnik oder gar künstlerische Aspekte sind bei den Foto-Dokumentationen keine zu erfüllende Kriterien, hier zählt die Abbildung der Wirklichkeit, die oft nur schwer zu ertragen ist. Berührend, erschreckend und ernüchternd – und nur manchmal gibt es auch zur Besserung ein wenig Hoffnung, die ja bekanntlich zuletzt stirbt.
Nachdem sich auch der letzte ExifCafé-User von dieser Ausstellung verabschiedet hatte, war das nächste Ziel der reservierte Tisch bei der ‚Brückenwirtin‘, wo jeder auf der Speisenkarte sein persönliches Lieblingsessen fand, vom Grünkohl mit Kassler und Pinkel, über Curry- und Weißwurst bis zum Hamburger Pannfisch.
Frisch gestärkt, mit Blick auf die Wetterprognose wurde nach angeregten Gesprächen diskutiert, welches Ziel an der Nordseeküste für den Nachmittag noch für eigene Fotografie interessant sein könnte. Beim letzten Oldenburg-Besuch waren wir nach Wilhelmshaven gefahren, um vom Bontekai die Kaiser-Wilhelm-Brücke zu fotografieren. Jetzt wurden Burhave, Fedderwardersiel und Eckwarderhörne am Jadebusen erwähnt, wobei Eckwarderhörne mit der Ansicht der Reste des Alten Fähranlegers schnell zum Favoriten wurde. Während der gut 60 Kilometer langen Anfahrt begleiteten uns einige Regenschauer und als wir am Leuchtfeuer in Eckwarderhörne ankamen, blies uns ergänzend auch noch ein strammer Wind den Regen ins Gesicht. Wir haben nicht schlecht gestaunt, dass Sven, Heinz und Dieter, die vorausgefahrenen waren, bei Regen und Wind schon mit ihren Kameras und Stativen am Alten Fähranleger aktiv waren. Unterstellmöglichkeiten gab es am Spot keine. Als sich nach kurzer Zeit dann eine ‚Blauzone‘ am Himmel erweiterte und der Regen nachließ, suchten sich dann auch alle anderen ExifCafé-User den geeigneten Standort für ihre Stative für die beabsichtigten Langzeitbelichtungen. Das war allerdings keine leichte Aufgabe für die Fotografen, weil der heftige Wind die Gischt der Wellen und später auch noch der wieder einsetzende Regen die Filterscheiben immer wieder mit Tropfen bedeckte. Aber wie die bereits im Forum eingestellten Bilder zeigen, hat der Ausflug nach Eckwarderhörne dennoch einige sehenswerte Bilder vom Alten Fähranleger gebracht.
Etwas „angefeuchtet“ und leicht durchgefroren haben wir nach einiger Zeit vor einer weiteren dunklen Regenfront den Rückzug angetreten und sind zum Aufwärmen in die Strandhalle ‚Mediterranean‘ am Leuchtfeuer eingekehrt. Dort gab es ein tolles Kuchenangebot, das ergänzt mit heißer Schokolade mit Sahne für sofortiges Wohlgefühl sorgte. Die großflächigen Fensterscheiben gestatteten einen schönen Rundblick auf die Nordsee, die sich bei ablaufendem Wasser zunehmend als Watt zeigte. Perfekt wurde der Ausblick, als dann die Sonne wieder herauskam und Watt und Landschaft erhellte. Wenn wir nicht noch die Rückfahrt nach Bielefeld vor uns gehabt hätten, wären wir sicherlich gerne bis zum Sonnenuntergang geblieben.
Der Besuch der World Press Photo-Ausstellung in Oldenburg war beeindruckend, das Wiedersehen mit unseren Fotofreunden aus dem Raum Oldenburg hat viel Spaß gemacht und der Ausflug nach Eckwarderhörne war trotz der teilweise widrigen Wetterverhältnisse ein schönes Erlebnis. Ein richtig guter Tag im ExifCafé, den man nicht besser hätte verbringen können!