Kinder, wie die Zeit vergeht! Schon länger als ein Jahr ist es her, als wir uns erstmalig im ExifCafé am 28. März 2020 zum Online Phototalk getroffen haben. Mit Optimismus und viel Vertrauen in die medizinische Forschung hatten wir seinerzeit gehofft, die Corona-Pandemie im überschaubaren Zeitrahmen zu überwinden, aber auch aktuell bestimmen Kontaktverbote und eingeschränkte Reisebedingungen unseren Alltag und auch unsere gemeinsamen Vorhaben.
Die Aktivitäten der ExifCafé-User sind dadurch jedoch nicht weniger intensiv, sie sind nur individueller geworden. Jeder mehr für sich bei der fotografischen Ausführung, aber über unser Forum immer im Kontakt mit allen anderen Usern. Über Bild- und Textbeiträge können alle an den unterschiedlichen Aktivitäten teilnehmen und daraus Motivation und auch Inspiration schöpfen. Und natürlich kann auch jeder seine eigene Sichtweise zu den gezeigten Arbeiten mitteilen, was für Fotograf und Betrachter immer interessant ist.
Zwischenzeitlich haben wir am 12. April 2021 bereits den 17. Online Phototalk im ExifCafé veranstaltet. Wenn auch nur über den Monitor, so ist es dennoch immer wieder schön, die anderen Fotofreunde zu sehen und nach dem ersten allgemeinen Austausch zu wissen, dass es allen gut geht.
Nach der legendären Hausaufgabe von Uwe (‚Stelle das Doppelwort Nord-Pol fotografisch dar‘) zählt eine fotografische Hausaufgabe mittlerweile zum festen Themen-Bestandteil unserer Online Phototalks. Wer möchte, kann sich daran beteiligen. Keine Pflicht, sondern immer nur die Kür! Wie die Aufgabenstellung selbst, sind auch die jeweils eingereichten Bildergebnisse dementsprechend kreativ und oft auch sehr unterschiedlich. Für diesen Online Phototalk hatte Silvia uns die fotografisch umzusetzende Aufgabe mit ‚Gebraucht – und heiß geliebt!‘ gestellt.
Sven führte uns die von den Mitgliedern eingereichten Fotos zum Thema vor:
Silvia hat den Teddy ihrer jetzt bereits erwachsenen Tochter fotografiert. Ein knapper Bildausschnitt des einstigen Lieblingskuscheltiers mit bunten Farben. Vom Gesicht des Teddys ist nur ein Teil zu sehen und der Fokus liegt auf einer verschlissenen Tatze, die durch das viele Knuddeln ihrer Tochter mit dem geliebten Stofftier entstand. In weiser Voraussicht hatte Silvia für ihre Tochter seinerzeit mehrere gleiche dieser Teddybären, um bei einem eventuellen Verlust des geliebten Spielkameraden den großen Herzschmerz zu vermeiden. Ein Bild mit Geschichte, Erinnerungen und begleitenden Emotionen, die auch sofort bei den Betrachtern ankamen. Jeder von uns hat an seine kleinen Begleiter der eigenen Kindheit gedacht und so konnten wir auch am erzählten Drama von einem Teddy, der die Waschmaschine in Österreich nicht überlebt hat, teilnehmen.
Dieter hat uns sein Foto von einem Kochbuch und einem Holz-Kochlöffel gezeigt. In diesem alten Buch mit dem Titel: ‚Praktisches Kochbuch‘ von Henriette Davidis aus dem Jahr 1881 lösen sich aufgrund der intensiven Nutzung über viele Jahre schon einige Buchseiten, aber allein der geprägte Einband lässt auf besondere Rezepte vergangener Zeiten schließen. Buch und Kochlöffel werden auf schwarzem Untergrund präsentiert, nichts lenkt von den beiden Motivinhalten ab. Vor 45 Jahren hat Dieter dieses Buch von seiner Oma übernommen. Buchinhalt und besonders der Holz-Kochlöffel werden auch heute noch häufig von ihm in der Küche genutzt. Interessant war zu erfahren, dass dieses sehr alte Buch auch in einer aktuellen Neuauflage zu erhalten ist und es gibt sogar ein Henriette Davidis-Museum in Wetter-Wengern.
Schon der erste Blick auf Alfreds Foto ließ die ‚Canon-Jünger‘ in Erinnerungen schwelgen. Zwei analoge Spiegelreflex-Kameras, eine Canon EF mit FD 28 mm f2.8 und eine Canon F-1 mit FD 50 mm f1.4 Objektiv wurden von ihm auf schwarzer, spiegelnder Plexiglasplatte mit schwarzem Hintergrund unter Verwendung von blauer und gelber Farbfolie sehr edel in Szene gesetzt. Gelungene Schärfe über beide Kameras von Frontlinsen bis über die Bodys – einfach ein schöner Anblick, der fotografisch gut umgesetzt wurde! Die technische Entwicklung hat die analoge Fotografie zum Außenseiter, aber auch zu einer besonderen Sparte werden lassen, die zunehmend immer mehr Anwender und Freunde zurück gewinnt. Ähnlich wie die Vinyl-Schallplatte wird die analoge Fotografie neben der Digitalfotografie immer ihre Daseinsberechtigung haben.
Heinz präsentierte uns über sein Foto die aufnehmende Kamera, das damit aufgenommene Foto und die genutzten Mittel zur Präsentation. Die Einzelheiten dazu sind eine Leica M7, bestückt mit einem älteren Leitz Summicron 35 mm, das die Schriftzüge ‚Leitz Wetzlar‘ und ‚Leitz Canada‘ trägt. Mit dieser Kombination hat er im ‚Pott‘ eines seiner bekanntesten Fotos, ein Porträt von einem älteren Migranten, vor nur noch angedeutet zu erkennenden Fördertürmen (Blende 2.0) aufgenommen. Im Hintergrund ist eine kopftuchtragende, ältere Frau mit ihrem Rollator zu sehen. Die Entwicklung und Ausarbeitung dieser Aufnahme (natürlich in s/w) auf besonderem Papier, das Kaschieren auf den Trägerkarton und die Rahmung mittels Passepartout – dieser gesamte Prozess bis zum sehenswerten Ergebnis, mit der einhergehenden Wertschätzung für Aufnahme, Aufbereitung und Präsentation sind unter Nutzung älterer Technik etwas Besonderes.
Sven hat sich mit der fotografischen Darstellung der Inschrift seines Eherings befasst. Und dabei festgestellt, dass der ganz banale Umstand, dass der Ring nach der exakten Positionierung immer wieder eigendynamisch losrollte, mindestens genauso schwierig war, wie die optimale Lichtsetzung. Die Aufnahme entstand mit einem Makroobjektiv, das mit der Gegenlichtblende schon sehr nahe am Objekt war. Ein diagonaler Schattenverlauf über die glänzende Auflagefläche, der den Ring mittig trifft, passt gut zum titan/goldfarbenen Motiv. Die Inschrift ist auch gut zu erkennen – wie auch deutliche Gebrauchsspuren!
Darüber hinaus gab es noch einige weitere schöne Ideen zum Thema ‚Gebraucht – und heiß geliebt‘. Auf der Suche nach dem idealen Objekt wurden alle Schubladen im Haus aufgezogen und auch die einstigen Wanderstiefel in Erwägung gezogen – die leider jedoch zwischenzeitlich schon entsorgt wurden.
Ich fand das Thema gut, aber auch nicht so einfach in der fotografischen Umsetzung. Klar, man hat jede Menge gebrauchte Sachen, die einem auch lieb und wert sind: Die alte, aber noch immer neuwertig aussehende Armbanduhr mit Mondphasenanzeige, es gibt einige Werkzeuge, die ich nicht jedem leihen würde, mein 13 Jahre altes Auto, mit dem ich noch immer sehr gerne unterwegs bin und aus Sicht meines Enkels mich selbst, für den ich zwar ‚gebraucht‘, aber trotzdem sein liebster Spielkamerad bin. Aber so richtig entscheiden konnte ich mich nicht für eine dieser genannten Möglichkeiten. Letztlich habe ich die Vielzahl aller gebrauchten Gegenstände, die fein säuberlich in Kartons verpackt auf dem Dachboden stehen, abgelichtet. Wann immer ich ein bestimmtes Teil auf dem Dachboden suche, brauche ich viel Zeit, weil ich während der Suche immer fast vergessene ‚Schätze‘ in den Kartons wiederfinde. Viele gebrauchte Sachen, die ich wahrscheinlich nicht mehr nutzen werde, von denen ich mich jedoch auch nicht so einfach trennen möchte. Meine Sammelleidenschaft ist manchmal ein kleines Reizthema in der Familie, aber meine Wertschätzung gegenüber den alten Gegenständen ist noch immer ziemlich hoch.
Nach unserer ‚Hausaufgabe‘ stellte uns Dieter sein aktuelles Projekt vor: Eine Collage mit bekannten Bielefelder Motiven, wie zum Beispiel Leineweber-Denkmal, Jahnplatzuhr, den Elch aus dem Oetker-Park, Anker-Bogen, Rathaus, Sparrenburg, Stadttheater, Stadthalle, Kachelhaus, Crüwell-Haus, Oetkerhalle, den Sigi, Ratsgymnasium und noch einige weitere Bielefelder Sehenswürdigkeiten. Alle Motive wurden exakt freigestellt und mit harten Übergängen in einer Gemeinschaftsansicht integriert. Zur Gestaltung dieser Collage musste Dieter die Aufnahmen der einzelnen Sehenswürdigkeiten jeweils in einem bestimmten Winkel durchführen, um den äußeren Rahmen links und rechts der Collage grafisch stimmig darzustellen. Dazu gehört auch die entsprechende Vorplanung zur Anordnung der Einzelmotive innerhalb der Collage. Sehr schönes Projekt, das eigentlich nach der Fertigstellung nicht einfach auf der Festplatte archiviert werden sollte. Das Ergebnis kann sehr gut für Bielefelder Marketing-Medien verwendet werden, der 70×100 cm Probedruck zeigt echtes Potential!
Eine zwischenzeitlich gestellte Frage im Forum, wie man nachträglich eine verregnete Glasscheibe als Ebene in ein Bild einfügen kann, wurde uns von Sven eindrucksvoll beantwortet und vorgeführt. Svens Vorstellung zum Ergebnis war der Blick eines Café-Besuchers, der die Straßenszene durch eine große, verregnete Fensterscheibe beobachtet. Dies soweit wie möglich realistisch darzustellen, war das Ziel. Als Ausgangsbild hatte Silvia ein Streetfoto zur Verfügung gestellt, das eine Passantin mit Einkaufstasche schnellen Schrittes in der Stadt zeigt. Ergänzend dazu nutzte Sven ein Foto mit Regentropfen auf schwarzem Untergrund und zusätzlich noch die fotografische Ansicht von der Inneneinrichtung rund um den Tresen eines Cafés, die auch eine Hängelampe im Motiv enthielt. Dann war Zauberstunde, besser bekannt unter ‚Photoshop‘. Gewusst wie! Dann kann man solche beeindruckenden und sehr realistisch wirkenden Ergebnisse über Photoshop schon in kurzer Zeit erstellen, in denen sogar die ‚angelaufene‘ Fläche im unteren Teil der Glasscheibe zu erkennen ist. Ich kann da nur staunend zusehen – aber um uns zu motivieren, die Anwendungen selbst durchzuführen, hat Sven für uns dazu eine Schritt-für-Schritt-Anleitung in Form eines Video-Tutorials erstellt und in unserem Forum hinterlegt. Mit dieser ‚Bedienungsanleitung‘ können eigene Ideen umgesetzt und die eigenen Kenntnisse in der Bearbeitung ergänzt werden.
Weitere Gesprächsthemen im ExifCafé-Online Phototalk waren unter anderen:
- die immer fehlende Brennweite für Naturaufnahmen, die man evtuell über einen Konverter verlängern könnte, wenn denn die zusammengefügte Technik von Kamera, Objektiv und Konverter funktioniert und zu besseren Fotos führt. Für einen Test hatte Sven die Bereitstellung eines Canon EF 2.0 III Konverters angeboten, der bei einem abgestimmten Termin in den Rieselfeldern aus meinem 100-400 mm Objektiv ein Supertele machen sollte.
- Informationen zum weiteren Verlauf des Projekts ‚Heimat‘, dem sich Silvia und ich angeschlossen haben, um mehr Kenntnisse zur konzeptionellen Fotografie im Austausch mit vielen anderen Teilnehmern dieses Projektes zu erhalten,
- der Fotowettbewerb ‚Frühlingserwachen‘, ausgerichtet vom dpunkt.verlag, an dem drei ExifCafé-User teilnehmen. Silvia wird ihr (motivbezogen) ausgefallenes Foto kurz vor Annahmeschluss hochladen, um die naheliegende, aber dennoch originelle Motividee durch Nachahmer nicht zu vervielfältigen.
- wie man im do it yourself-Modus Dias und Negative mittels Handy und selbsterstellter Einrichtung digitalisiert. Keine Empfehlung für die Digitalisierung von vielen Vorlagen, aber für einzelne Dias oder Negative und vor allem handwerklich geschickte Anwender eine Möglichkeit.
Unser nächster Termin zum 18. ExifCafé Online Phototalk ist am Freitag, den 30. April 2021, ab 19.00 Uhr. Ein Thema werden dann die Ergebnisse zu unserer neuen Aufgabenstellung ‚Monochrom‘ sein.
Unsere Zusammenkunft im ExifCafé hat – wie immer – viel Spaß gemacht, es gab wieder jede Menge Hinweise und Tipps und Lerneffekt war auch wieder dabei! War wieder richtig gut!