Unser vierzehntägiger Online-Phototalk gehört im ExifCafé schon seit den ersten Corona-Einschränkungen zur geschätzten Regelmäßigkeit – die aber niemals Routine wird! Fast immer sind alle unsere registrierten Mitglieder online dabei, wenn wir uns über eigene fotografische Aktivitäten der vergangenen Wochen und auch andere interessante Themen austauschen.
Bei unserem aktuellen Phototalk konnten wir – dank der gemäßigten Inzidenzzahlen – auf einen kurzfristig zurückliegenden, gemeinschaftlich unternommenen Ausflug zum Preußenhafen nach Lünen zurückblicken. Dazu wurde bereits ein eigener Bericht auf unserer Webseite und in unserem Forum veröffentlicht. Zur Ansicht aller ExifCafé-Mitglieder wurden zwischenzeitlich auch mehrere Aufnahmen vom Preußenhafen und dem Mohr-Kran im Forum eingestellt. Das war endlich der erste Ausflug nach langer Corona-Blockade. Es war ein besonderes Erlebnis, das wir hoffentlich mit weiteren Ausflügen zu interessanten Zielen oder Fotoausstellungen jetzt wieder öfters erleben können.
Statt Pflicht gibt es im ExifCafé immer nur die Kür, selbst dann, wenn es um ’Hausaufgaben’ geht. Wer mochte und Zeit und Gelegenheit dazu hatte, konnte sich dieses Mal mit einem Foto zum Thema ’Highkey’ beteiligen. Doch bevor wir uns die an Sven eingereichten Fotos angesehen haben, wurde erst einmal der Begriff Highkey erläutert und diskutiert. Sehr oft wird Highkey mit der Schwarz-Weißfotografie und mit dem Genre Aktfotografie verbunden. Dazu zeigte uns Sven ein Foto eines befreundeten Fotografen von einer jungen Dame, die mit einer weißen Perlenkette frontal vor weißem Hintergrund auf einem weißen Sockel sitzt. Im Kontrast zu den überwiegend weißen Bildelementen stehen ihre schwarzen Haare und die schwarze Kleidung, die allerdings nur aus ellenbogenlangen Handschuhen und schwarzen Fesselsandalen besteht. Die Schuhe sind über dem Spann dekorativ gekreuzt gebunden, der Blick ist auf eine neben ihr stehende weiße Tasse auf schwarzer Untertasse gerichtet. Sehr schön inszeniertes Foto – und zweifelsfrei sind alle Highkey-Merkmale vorhanden.
Uwe hat sich kreativ mit drei unterschiedlich geformten Klarglas-Flaschen zum Thema beschäftigt. Vor weißem Hintergrund sind in Unschärfe nur teilweise die Konturen der sich überschneidenden Flaschenformen zu sehen und nur ein einzelner, rechts neben den Flaschen liegender, leicht bräunlicher Korken ist schärfer abgebildet. Das Hochformat hat im oberen Bereich vielleicht etwas zu viel Luft, aber das ist wieder einmal individuelle Ansichtssache. In jedem Fall ist Uwes Bild eindeutig eine Highkey-Aufnahme.
Heinz hat eine etwas überbelichtete Schwarz-Weiß-Aufnahme mit einer Szene aus dem Hamburger Hafen eingereicht. Im Himmel ist nur wenig Struktur zu erkennen, das Wasser ist durch die Langzeitbelichtung eine glatte Fläche. Krananlagen, die Elbphilharmonie und weitere markante Gebäude sind auf der schmalen Horizontlinie zu erkennen, die sich rechts im Bild nähernd, mit zwei großen ’Giraffen’ abschließt. Eigentlich falsch belichtet, aber eine sehr interessante Ansicht! Auch das ist Highkey! Den Aufnahme-Standpunkt wollte Heinz (noch) nicht verraten, er möchte uns wahrscheinlich beim nächsten Hamburg-Besuch damit überraschen!
Silvia ist die Hausaufgabe mit einer weißen Tulpe vor weißem Hintergrund angegangen. Aus der Ansicht der weit geöffneten Tulpenblüte, deren äußere Randbereiche schon fast mit dem hellen Hintergrund verschmelzen, tritt der Kontrast mit den mittigen, gelben Blütenstempeln hervor, während die Blütenblätter durch eigene Überlagerungen und zweifache Lichtsetzung (kein Blitz!) nur minimale, hellgraue Schatten zeigen. Ein Highkey aus der Kreativabteilung – typisch Silvia!
Mein Highkey-Bild, das mit einer Makroaufnahme den Ausschnitt einer Pusteblumenkugel zeigt, beinhaltet zwar durch die dichten Federschirmchen auch weitestgehend weiße Bildanteile, jedoch sind auch die bräunlichen Samenstängel aus dem sternförmigen Mittelpunkt intensiv zu erkennen. Highkey? Jein, bzw. grenzwertig. Ein zur Aufnahme eingesetzter, weißer Hintergrund hätte dem Foto gut getan. Die abschließende Beurteilung liegt im individuellen Blick des Betrachters.
Alfred hat für die Abbildung eines in voller Blüte stehenden Fingerhutstängels wieder außergewöhnliche Register gezogen. Ein begradigter, in den Blütenstängel eingezogener Drahtkleiderbügel sorgte für eine stabile, aufrechte Position beim Shooting. Die pinkfarbenen Blüten wurden von vorne und hinten angeblitzt, eine weiße Plexiglasscheibe erzeugte diffuses Licht. Der Fingerhutstängel, ein sehr kontrastreiches Motiv mit intensiven farblichen Anteilen in Pink, Grün und Schwarz ist vor weißem Hintergrund abgebildet. Ein harmonischer Abschluss am unteren Bildrand ist, ohne den Boden mit einzubeziehen, durch angeschnittene Blüten immer schwierig. Weil die mehrfarbige Pflanze den weißen Hintergrund mit ihren kräftigen Farben dominiert, wurde dieses Bild im Bezug auf Highkey – ähnlich wie bei meinem Bild – auch eher an der Grenze gesehen.
Inge hat ihr Motiv im Haushalt gefunden und vier Suppenteller so gezielt ineinander gestellt, dass die sichtbaren Anteile der gestapelten Teller etwa gleich sind. Gezeigt wurden zwei Aufnahmen, zwischen denen sich Inge eigentlich nicht so recht entscheiden konnte. Beide Aufnahmen mit weißem Hintergrund, in einem Set sind die Teller auf einer weißen Plexiglasplatte mit leichtem, erkennbaren Horizont zu sehen, im anderen Bild stehen die Teller auf einer Hohlkehle, die die Suppenteller optisch schweben lässt. Mir gefällt die schwebende Variante besser, aber auch das ist individuelle Ansichstsache. Beide Aufnahmen mit schönen, weichen Schatten und harmonischen Farbtönen von Weiß bis Hellgrau. Ein sehr gut gelungenes Highkey-Foto!
Sven hatte zwei weiße, handschriftlich beschriftete Tassen mit den Böden zusammengefügt aufgestellt und die untere Tasse nur angeschnitten zusammen mit der oberen Tasse vor einer weißen Hohlkehle abgelichtet. Um den Dampf einer eingefüllten, heißen Flüssigkeit zu simulieren, hat er ein brennendes Streichholz in die obere Tasse geworfen und den Rauch, der beim Erlöschen des Streichholzes entsteht, mit im Bild eingefangen. Dabei wurde der Rauch von hinten angeblitzt, um ihn überhaupt sichtbar zu machen. Wie er selbst bekannte, wäre der Dampf/Rauch mit geeigneteren Räucherstäbchen besser gelungen – die muss man jedoch erst mal haben! Auch eine schöne Highkey-Idee!
Zusätzlich wurden aus den Archiven unserer Mitglieder weitere – sehr sehenswerte- Highkey-Aufnahmen gezeigt, bei denen unter anderem ein längerer Metallspan auf einem Spiegel eine tolle Figur abgibt. Über Photoshop wurden bei Alfreds Foto, dem Fingerhutstängel, alternativ die intensiven Farben entsättigt. Eine echte Alternative zur vorher gezeigten Aufnahme, aber Alfred würde sich statt der entsättigten Variante eher für eine Schwarz/Weiß-Version entscheiden. Themenabschließend haben wir uns zu den eingereichten Fotos die zugehörigen Histogramme angesehen, die deutliche Hinweise zu Highkey-Merkmalen geben.
Das neue Hausaufgaben-Thema ergab sich natürlich von selbst: “Erstelle eine Lowkey-Aufnahme”. Vielleicht hilft ja Inges Ansatz bei der Erarbeitung eines guten Ergebnisses: „Wenn man das Licht schnell ausmacht, kann man sehen, wie Dunkelheit aussieht“.
Wenn Alfreds Fingerhut-Aufnahme dem Highkey-Thema nicht vollends entsprach, so ist sie dennoch ein sehr interessantes, sehenswertes Bild. Schönes Motiv mit vielen Details, intensive Farben und guter Schärfe. Grund genug, sich mit diesem Bild weiter zu beschäftigen. Beim Austausch des weißen Hintergrundes zum gewünschten Schwarz gab es jedoch Probleme bei der Bearbeitung mit Photoshop. Die Freistellung eliminierte viele kleine Details und der ersetzte, schwarze Hintergrund wirkte ziemlich zerknittert.
Ein Fall für Sven mit seinem Photoshop-Zauberkasten. Sven hatte auch die Stitch-Fehler des aus fünf Aufnahmen zusammengesetzten Bildes erkannt und zeigte uns in einzelnen, erklärten Schritten die Korrekturen zur Freistellung, bei denen auch die feinen Härchen der Pflanzenteile erhalten blieben. Mit dem richtigen Photoshop-Wissen und dem Einsatz von Adobe Sensei, der künstlichen Intelligenz in Photoshop bei Werkzeugen wie der Objektauswahl oder dem Kantenverbesserungswerkzeug im ’Auswählen und maskieren’-Dialog, gelang in relativ kurzer Bearbeitungszeit ein überzeugendes ’Ergebnis wie aus der Apothekenumschau’, wie Alfred es nannte. Das Geheimnis für Bearbeitungen zum perfekten Foto ist ganz einfach: Die Photoshop-Werkzeuge und ihre Anwendung kennen – das hilft!
Als Photoshop-Nichtnutzer kann ich da immer nur zusehen und ehrfurchtsvoll staunen, was alles möglich ist. Und wenn man weiß, welches Werkzeug das richtige ist, wo es bei Photoshop aktiviert werden kann und wie es anzuwenden ist, sieht das auch immer sehr einfach aus. Dieses unglaubliche, aber auch sehr komplexe Fotobearbeitungsprogramm ist so vielseitig, dass eigentlich keine Wünsche zu fantastischen Bildergebnissen mehr übrig bleiben. Doch, einen Wunsch hätte ich dazu noch: Detaillierte Motiverkennung und Spracheingabe zur Nennung des gewünschten Ergebnisses. Aber wer weiß, vielleicht ist auch das in absehbarer Zeit möglich!
Auf einem von Sven in unserem Forum eingestellten Bild vom Preußenhafen in Lünen wurde mit Photoshop-Reinigungsmitteln kräftig aufgeräumt und gesäubert. Ein Vergleichsfoto vorher – nachher hat uns die Details gezeigt. Das waren wesentlich mehr Details als wir von der realen Szene in Erinnerung hatten. Dabei wurden ein Haus, Motorroller, Mülleimer, Bootstrailer, Graffitis, Plakate, eine große Anzeigentafel, ein üppig ausgestatteter Anglerplatz und noch weitere Details unsichtbar gemacht. Und das gekonnt, also nicht erkennbar!
Nach dem ersten gemeinsamen Ausflug nach langer Corona-Pause zum Preußenhafen nach Lünen locken jetzt natürlich weitere konkrete Photowalk-Wünsche. Die Ausstellung ’Polarnight’ in Oldenburg, mit Bildern von Esther Horvath, wollen wir noch im Juli besuchen. ‚Lost Places’, die Ausstellung in Büren mit Bildern von Jürgen Kemper, ist von August bis Oktober zu sehen, die neue Photopia-Fotomesse in Hamburg ist während vier Tagen im September bestimmt sehr interessant – und Hamburg ist sowieso immer erste Wahl! Regional werden die Lavendelfelder in Fromhausen wieder schöne Motive bieten und ganz sicher werden sich zwischenzeitlich noch weitere, lohnenswerte Ziele auftun. Ich möchte in jedem Fall auch noch einmal zu nachtschlafender Zeit zum Steinhuder Meer. Die unglaubliche Lichtstimmung von unserem letzten Besuch werde ich nie vergessen! Ich weiß aber auch, dass sich manche Ereignisse nicht wiederholen lassen, aber der Standort hat auch bei anderen Lichtverhältnissen viel zu bieten.
Terminlich stehen bei unseren Mitgliedern die eigenen, geplanten Urlaubsreisen an. Momentan wird es schwieriger, Termine zu finden, zu denen alle Interessierten die Möglichkeit zur Teilnahme haben. Aber da müssen wir durch und manchmal mit reduzierter ’Frau-/Mannschaft’ unsere Photowalks durchführen. Zumindest über unsere anschließenden Berichte und eingestellten Fotos können die verhinderten Nichtteilnehmer danach erfahren, was sie verpasst haben.
Unser Online-Phototalk war wieder sehr kurzweilig und mit vielen amüsanten Passagen versehen. Wenn sich die aktuellen Corona-Inzidenzzahlen fortsetzen, können wir demnächst auch wieder ein ganz normales Treffen im ExifCafé organisieren, bei dem wir alle in Präsenz zusammensitzen. Dennoch waren und sind die zwischenzeitlich, regelmäßigen Online-Phototalks wesentlich mehr als nur ein Behelf. Bereits zu unserem ersten Online-Treffen im April letzten Jahres hat Sven das richtige Programm und die technischen Voraussetzungen für problemlose, stabile Verbindungen geprüft. Wir können uns per Videoteilnahme alle sehen und ausgiebig austauschen, was bei unseren Online-Treffen bis zu sieben Stunden mit viel Interesse und Spaß andauerte. Und auch unsere eigenen fotografischen Arbeiten konnten wir gemeinschaftlich mit allen anderen Mitgliedern ansehen und darüber diskutieren. In der Darstellung ist die optische Qualität deutlich besser als über einen Beamer auf Leinwand projiziert. Insofern werden wir den ExifCafé Online Phototalk auch dann noch bei Bedarf nutzen, wenn uns keine einschränkenden Corona-Regeln mehr dazu zwingen. Aber auf die gemeinsamen Photowalks und Ausstellungsbesuche brennen wir förmlich!