Die Fotografie im hohen Norden, also beispielsweise den Ländern Norwegen, Schweden, Finnland und Island, stellt je nach Region besondere Anforderungen an die Fotograf:innen.
Zunächst sollte immer, wie für den Winter üblich, an ausreichend warme Kleidung gedacht werden. Winddichte Jacke, Thermohose, Handschuhe und Mütze sind unentbehrlich. Sind die Temperaturen an der Küste durch den Einfluss des Golfstromes noch moderat um den Gefrierpunkt (+/- 5 Grad), so sinken die Temperaturen im Landesinneren deutlich bis hin zu sehr tiefem Frost. In Anbetracht der langen Wartezeiten, wie zum Beispiel beim Beobachten der Nordlichter, sind im Innland zusätzliche Maßnahmen wie beheizte Handschuhe und Schuhe mit Thermoeinlagen sinnvoll.
Kalte Hände und Füße sind in der Regel das Hauptproblem. Im Inland und in den Grenzregionen von Schweden und Finnland sind nicht selten weniger als -30 Grad anzutreffen. Eine ganz Nacht bei diesen Temperaturen weitgehend ohne Schutzhütte auszuhalten, stellt Fotograf:innen sowie das Equipment vor besondere Herausforderungen. Für die Kamera und das Objektiv sind entsprechende Heizungen (Manschetten) unumgänglich.
Da die Nutzung von Kamera und Objektiv unter diesen Bedingungen anspruchsvoll ist, sollten durchaus zuvor ein paar Trockenübungen zum sicheren Handling (Stativ, Fokus-Einstellungen, Akkuwechsel, Timelaps etc.) in heimischen Regionen durchgeführt werden. Auch der Umgang mit den Kabelverbindungen von der Powerbank zum Akku der Kamera- bzw. USB-Kamera- und Objektivheizung sollte gut eingespielt sein. Außerdem ist bei niedrigen Temperaturen das An- und Ausziehen der Handschuhe (Fäustlinge) zwecks neuer Kameraeinstellungen oder Akkuwechsel immer ein besonderer Moment.
Rückblickend kam es selbst bei den extrem niedrigen Temperaturen von ca. -30 Grad bei den Kameras zu keinen Problemen. Hält man sich allerdings viele Stunden bei diesen Minusgraden im Freien auf, sollte unbedingt eine ausreichende ’Auftauzeit’ für Kamera und Objektiv eingehalten werden. Wichtig ist es, das Beschlagen des Objektivs zu vermeiden (Taupunkt). Kommt man in den Morgenstunden wieder zum Hotel zurück, sollten Kamera und Objektiv nach meinen Erfahrungen bis in die Mittagszeit im verschlossenen Rucksack zunächst in einem normalen, aber kühl temperierten Raum aufbewahrt werden. Anschließend kann der Rucksack geöffnet werden, um eine weitere Anpassung an die normale Raumtemperatur zu erreichen. Am Abend ist die Ausrüstung dann wieder bereit und die vielen Akkus sind wieder geladen.
Für die Fotografie an den Küsten, Seen und Flüssen sowie die damit verbundenen Bergwanderungen, haben sich für diese Regionen Grödel bzw. Schuhketten besonders bewährt. Somit ist auf jeden Fall Trittsicherheit bei den ständig wechselnden Temperaturveränderungen im Bereich um den Gefrierpunkt gegeben.
Das eingesetzte Stativ sollte wasserfest und wegen der häufig starken Winde stabil und schwer sein. Zwecks besserer Stabilität in besonderen Lagen (Klippen, Steilküste) und bei starken Winden, sollten für das Stativ Spikes mitgenommen werden.
Für die Küsten- und Landschaftsfotografie und für die Fotografie unter kritischen Lichtbedingungen, wie sie beim Fotografieren der Aurora Borealis anzutreffen sind, sollte – neben den Standard-Zoomobjektiven 24-70mm und 70-200mm – ein lichtstarkes Weitwinkel-Objektiv im Rucksack zu finden sein. Viele wählen eine lichtstarke Optik im Brennweitenbereich von ca. 12mm bis 24mm. Eine Lichtstärke 2,0 oder höher ist ideal.
Für viele Fotograf:innen sind für Bilder am Wasser Grau- bzw. Grauverlaufsfilter erste Wahl. Hier sollten an die Objektive angepasste erprobte Filtersysteme genutzt werden. Der Markt bietet inzwischen für die meisten Weitwinkelobjektive spezielle Adapter bzw. Komplettsysteme an.
Die Besonderheiten der Küste im winterlichen Norden sind die sehr langen Übergangszeiten (blaue Stunde, Himmelsröte) oder auch die schnellen Wechsel von Sonne, Schneesturm und Regen. Hierdurch ergibt sich eine enorme Bandbreite an Licht- und Wetterstimmungen, die das Herz der Naturfotograf:innen höher schlagen lassen. Immer wieder entstehen neue Perspektiven, so dass es nie langweilig wird. Nicht selten vergisst man die Zeit und taucht in die so ausgiebige blaue Stunde ein.
An dieser Stelle muss ich, als waschechter Landschaftsfotograf, der ausschließlich mit dem Stativ arbeitet, ehrlicherweise dringend empfehlen, ein Smartphone mit guter Fotofunktion mitzunehmen. Ich habe Wetterbedingungen und Stürme erlebt, die die Nutzung der Kamera nur noch eingeschränkt ermöglichten. Mit dem Handy konnte ich in diesen Situation brauchbare Bilder realisieren.
Die richtige und vor allem auch wasserfeste Kleidung trägt meiner Meinung nach maßgeblich zum Wohlbefinden bei. Gerade wenn man fasziniert von den Naturgewalten die besondere Kraft eines Schneesturmes erlebt hat oder einmal von einer Welle erwischt wurde, wird man – wieder zu Hause angekommen – gerne über diese intensiven Erlebnisse berichten.
Weitere Utensilien, die in die Reiseliste geschrieben werden sollten, sind Stirnlampe, Gesichtsschutz, Stiefel mit Innenschuh, gegebenenfalls ein Overall (siehe Schneemobilbekleidung), Handschuhe mit Gumminoppen für den sicheren Griff beim Objektivwechsel und, für die extremen Temperaturen, zusätzlich Fäustlinge.
Einige nützliche Smartphone-Apps, die ich bei der Planung meiner Fototouren in Norwegen eingesetzt habe, sind unter anderem YR-Wetter, Norway Lights / Northern Eye, Aurora, Photopills, My Tide Times und Viewfinder.
Axel Krause
Axel Krause (1957) fotografiert seit den 1980er Jahren mit unterschiedlichen Kamerasystemen. Die aktuellen Aufnahmen sind mit dem Fujifilm X- und GFX-System entstanden. Falls Sie Fragen zu seinen Bildern haben, können Sie Axel Krause per Mail erreichen unter